Aufstand vom 17. Juni 1953

Als Aufstand vom 17. Juni 1953 (auch Volks- oder Arbeiteraufstand) werden die Vorkommnisse in der DDR bezeichnet, in deren Verlauf es in den Tagen um den 17. Juni 1953 zu einer Welle von Streiks, Massen-Demonstrationen und politischen Protesten kam. Ausgelöst durch verschiedene Ursachen, vornehmlich der für viele Bürger zum Teil brutal und rücksichtslos geführte Aufbau des Sozialismus sowie repressive Maßnahmen des SED-Regimes, erstreckte sich der antistalinistische Aufstand[1][2] über weite Teile des noch jungen Staates. In einem Flächenbrand[3] wurden politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Forderungen gestellt, darunter Rücktritt der Regierung, Freie Wahlen und Freilassung aller politischen Gefangenen.[4][5]

Insgesamt beteiligten sich mehr als eine Million Menschen an dem Aufstand, der für den Historiker Hubertus Knabe „in die Reihe der großen revolutionären Erhebungen in Deutschland“ gehört.[6] In über 700 Städten der DDR kam es zu Streiks, Demonstrationen und zum Teil blutigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften.[4] An seinem Höhepunkt am 17. Juni wurden alle Großstädte, die meisten Bezirkshauptstädte und weite Teile der kleineren Städte und Ortschaften erfasst. In Ost-Berlin, Merseburg und Halle (Saale) fanden die zahlenmäßig größten Proteste und Unruhen statt.[7] Im Bezirk Halle und den Industriestädten um Leuna und Wolfen streikten und demonstrierten mehr als 100.000 Menschen.[7] Die Demonstranten kamen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen. Teilweise wirkten die Menschen „beschwingt, als gingen sie auf ein Freudenfest“.[8] In den Bezirken Halle, Dresden und Magdeburg erfolgten große, erfolgreiche Gefangenenbefreiungen aus DDR-Gefängnissen.[9][10]

Die sowjetische Besatzungsmacht beendete den Aufstand gewaltsam durch Truppen der Sowjetarmee unter Beteiligung von Polizeikräften des DDR-Regimes.[5] Die Niederschlagung war „einer der größten Militäreinsätze in der europäischen Nachkriegsgeschichte“.[11] Über 50 Aufständische wurden von sowjetischen Soldaten bzw. den DDR-Sicherheitsorganen getötet oder von der sowjetischen bzw. der DDR-Justiz zum Tode verurteilt. Außerdem wurden mindestens fünf Angehörige der DDR-Sicherheitsorgane getötet.[12] Das SED-Regime inhaftierte in der Folge mehr als 15.000 Bürger[5][13] und verurteilte Tausende von unschuldigen DDR-Bürgern zum Teil zu mehrjährigen Haftstrafen.[14][15] Als Reaktion auf den Aufstand erfolgte zudem der massive Aufbau der DDR-Staatssicherheit.[16][17]

Der Aufstand des 17. Juni wirkte auch als politisches Signal auf die Bevölkerung in den Ostblockstaaten.[18]

Der 17. Juni war von 1954 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 als „Tag der deutschen Einheit“ der Nationalfeiertag der Bundesrepublik Deutschland; er ist weiterhin Gedenktag.

Sowjetischer IS-2-Panzer in Leipzig am 17. Juni 1953
  1. Rede des Parlamentspräsidenten. In: Im Parlament. RBB, 17. Juni 2010, archiviert vom Original am 11. Februar 2013; abgerufen am 19. Juni 2012.
  2. Michael Lemke: Der 17. Juni 1953 in der DDR-Geschichte. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. BpB, 2. Juni 2003, abgerufen am 19. Juni 2012.
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  4. a b Bundeszentrale für politische Bildung: Aufstand des 17. Juni 1953. Abgerufen am 22. Juni 2022.
  5. a b c Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: 17. Juni 1953 – Volksaufstand. In: hdg.de. Lebendiges Museum Online – lemo, abgerufen am 22. Juni 2022.
  6. Nathalie Wohlleben: 17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand. In: pw-portal.de. Portal für Politikwissenschaft, 1. Januar 2006, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 17. Juni 2022.@1@2Vorlage:Toter Link/www.pw-portal.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  7. a b Hubertus Knabe: 17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand. Propyläen, München 2003, ISBN 3-549-07182-5, S. 209 f.
  8. Guido Knopp: Der Aufstand 17. Juni 1953. Hoffmann und Campe, Hamburg 2003, ISBN 3-455-09389-2, S. 181 ff.
  9. Guido Knopp: 17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand. Propyläen, München 2003, ISBN 3-549-07182-5, S. 189 ff.
  10. Udo Grashoff: Der 17. Juni 1953 in Halle (S) – Ein Tag der Zivilcourage. Hrsg.: Verein für Zeitgeschichte e. V. Halle (Saale), ISBN 3-00-008160-7.
  11. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen :4.
  12. Edda Ahrberg, Tobias Hollitzer, Hans-Hermann Hertle: Die Toten des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953. Bundeszentrale für politische Bildung, 17. Mai 2013, abgerufen am 22. Juni 2022.
  13. Westdeutscher Rundfunk: Gedenken an 17. Juni 1953. Abgerufen am 22. Juni 2022.
  14. Hubertus Knabe: 17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand. Propyläen, München 2003, ISBN 3-549-07182-5, S. 367 ff.
  15. Guido Knopp: Der Aufstand 17. Juni 1953. Hoffmann und Campe, Hamburg 2003, ISBN 3-455-09389-2, S. 253 ff.
  16. Guido Knopp: Der Aufstand 17. Juni 1945. Hoffmann und Campe, Hamburg 2003, ISBN 3-455-09389-2, S. 271 ff.
  17. Hubertus Knabe: 17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand. Propyläen, München 2003, ISBN 3-549-07182-5, S. 435 f.
  18. In der Sowjetunion streikten vom 22. Juli bis 1. August 1953 die Zwangsarbeiter des Lagers in Workuta, in den Nickelwerken Norilsk kam es ebenfalls 1953/1954 zu antistalinistischen Aufständen. Am 28. Juni 1956 legten 15.000 Belegschaftsmitglieder des Stalin-Werkes in Poznań (Zakłady Metalowe imienia Józefa Stalina w Poznaniu – ZISPO) ihre Arbeit nieder – Posener Aufstand – und am 23. Oktober 1956 begann der Ungarische Volksaufstand. Der „Prager Frühling“ von 1968 in der Tschechoslowakei, der Aufstand vom Dezember 1970 sowie die August-Streiks von 1980 in Polen und die politischen Ereignisse 1989/1990 in Mittel- und Osteuropa folgen ebenfalls dem antistalinistischen Vorbild des 17. Juni 1953.

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